"Hier geht alles" - Augsburgs kommender Theater-Intendant erklärt sich

Wir bringen Ausschnitte aus einem ausführlichen Interview mit Augsburgs neuem Theater-Intendanten André Bücker. Wer es genau liest, kann darin einige Dinge erkennen, die noch für viel Überraschung bei den Augsburger Theater-Freunden und den hiesigen Kulturpolitikern sorgen könnte.

André Bücker in Dessau mit dem Linken Gregor Gysi.


Frage: Vor einiger Zeit gab es noch Proteste gegen die Sanierung. Auch andernorts regt sich in der Bevölkerung Unmut angesichts solcher Projekte. Ist das eine Zeiterscheinung?
Bücker: Natürlich haben die Bürger das Recht, bei 180 Millionen Euro Sanierungs- und Neubaukosten Fragen nach den Hintergründen zu stellen. In Augsburg ist der Prozess mittlerweile unumkehrbar, daran kann, gerade nach dem gescheiterten Bürgerbegehren, nicht mehr gerüttelt werden. Aber Sie haben Recht: Es ist eine Zeiterscheinung, dass man immer und grundsätzlich bezweifelt, ob die Politik richtig liegt mit ihren Entscheidungen. 
Frage: Sie waren zuvor Intendant am Nordharzer Städtebundtheater und in Dessau. Ist Augsburg im Vergleich dazu ein Theaterschlaraffenland?
Bücker: In Augsburg engagiert sich die Politik massiv fürs Theater. Und gerade in der Umbausituation zieht das Publikum sehr gut mit. Die Leute drücken vielleicht eine gewisse Zeit die Augen zu und entschuldigen vieles mit der Renovierung. Ich will auf gar keinen Fall ein „Ist-ja-trotzdem-ganz-nett-Theater“ haben. Ich möchte künstlerisch satisfaktionsfähig sein.
Frage: Was geht in Augsburg nicht? Und wohin wollen Sie dieses Theater entwickeln?
André Bücker: Hier geht grundsätzlich alles. Es gibt einen tollen großen Publikumsstamm und eine starke Zugewandtheit zum Theater – auch bei Sperrigem. Wenn man allein das Musiktheater in meiner ersten Saison anschaut, zeigen wir sechs Werke, drei davon sind von lebenden Komponisten. 
Frage: Haben Sie jemals für sich an den Status „Umbauintendant“ gedacht?
André Bücker: Ich stellte mir eher die Frage, ob ich nach den Dessauer Jahren wieder Intendant sein oder als freier Regisseur umherziehen will. Augsburg passt ganz gut zu meiner Einstellung, dazu, wie ich über Theater denke. Ich meine damit auch den Bürgerbeteiligungsprozess bei der Sanierung. Der Plan, das Theater zur Stadtgesellschaft noch mehr zu öffnen und neue Spielorte einzubeziehen, reizt mich. Außerdem bin ich ein Fan von Umbruchsituationen.
Frage: Das bedeutet im Umkehrschluss, dass diese Öffnung bislang fehlte.
André Bücker: Das hat die Stadt wohl so gesehen. Dies beinhaltete explizit auch die Ausschreibung für meine Position.
Frage: Sie sind ein regieführender Intendant. Fühlen Sie sich als Teil einer aussterbenden Spezies?
André Bücker: Nein, es existieren ja noch einige von uns. Als Künstlerintendant ist man allerdings sehr nahe an den Gewerken eines Theaters dran. Man kennt sich quasi im Maschinenraum des Hauses aus.
Frage: Passieren Ihnen Ihre Positionen? Oder sind Sie ein Fan von Lebensplänen?
André Bücker: Mit 25 habe ich gesagt, dass ich mit 35 Intendant sein will. Ich glaube an das Wort von der „moralischen Anstalt“ des Theaters. Ich selbst will pro Saison nur zwei Inszenierungen beisteuern, eine im Musiktheater, eine im Schauspiel.
Frage: Im Schauspiel bewegt sich mancherorts die Inszenierungsästhetik weg zum Performativen. Gibt es Grundzutaten für eine Theateraufführung?
André Bücker: Ich glaube, dass man eine Geschichte erzählen muss. Dies wiederum kann man auf unendlich viele verschiedene Weisen tun. Ich glaube außerdem ans Ensemble- und ans Repertoiretheater. In Augsburg wurde zuletzt mit einem kleinen Schauspielensemble und vielen Gästen gearbeitet, das werde ich verändern. 
Frage: Wie fühlt sich die Situation an, einer Intendantin nachzufolgen, die gern geblieben wäre?
André Bücker: Die ist wohl ähnlich wie für meinen Nachfolger in Dessau. Ich kenne Juliane Votteler schon lange. Sie war die Erste, die mir gratulierte. Sie hat mir sofort enge Kooperation angeboten. Unser gutes Verhältnis hat in keinster Weise gelitten. Das finde ich toll, sehr kollegial und sehr professionell.


Juliane Votteler mit Sanierungs-Gegnern im Theater Augsburg.



- - -

Das gesamt Interview im Münchner Merkur online mit Augsburgs kommenden Theater-Intendanten André Bücker  ist hier zu lesen.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Geld regiert die Welt, oder?

Der Katastrophen-Club Yum ist pleite

Gästeführer werden streng geprüft